Deutsch-Griechisches Netzwerk "Regionen, Städte, Menschen"!

Sören Bartol über die DGV: „Griechenland ist in einzelnen Bereichen viel weiter als wir”

20.01.2023 (Carl-Friedrich Höck) Die Deutsch-Griechische Versammlung soll die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene stärken. Sören Bartol ist seit Januar neuer Beauftragter der Bundesregierung für das Netzwerk. Im Interview erklärt er, warum es den Städten und Gemeinden nützt.


  • 20.01.2023 (Carl-Friedrich Höck)

(@Photothek/SPD-Bundesfraktion)

Quelle: Demo-online

Sören Bartol (SPD) ist Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz. Die Bundesregierung hat ihn zum neuen Beauftragten für die Deutsch-Griechische Versammlung ernannt, als Nachfolger von Norbert Barthle.

DEMO: Sie sind seit dem 1. Januar Beauftragter der Bundesregierung für die Deutsch-Griechische Versammlung (DGV). Können Sie bitte kurz erklären, was die DGV ist und wozu es sie gibt?

Sören Bartol: Die DGV ist ein kommunalpolitisches Netzwerk zwischen Deutschland und Griechenland. Ziel dieses Netzwerkes ist es, den europäischen Gemeinschaftsgedanken zu stärken sowie die deutsch-griechischen Beziehungen auf lokaler und regionaler Ebene nachhaltig zu vertiefen. Es sollen vor allem die Herausforderungen des kommunalen Alltags beider Länder in den Blick genommen werden. Um das zu erreichen, führt die DGV zum Beispiel Fachseminare oder Tagungen durch, die für die Kommunen beider Länder von besonderer Relevanz sind. Seit Gründung der DGV im Jahr 2010 konnten sich zahlreiche Partnerschaften zwischen deutschen und griechischen Kommunen etablieren. Die DGV ist also ein fester Bestandteil der bilateralen Beziehung beider Länder geworden.

Das Netzwerk wurde 2010 gegründet, mitten in der sogenannten Euro-Krise. Warum ist gerade zwischen Deutschland und Griechenland eine kommunale Zusammenarbeit so wichtig?

Tatsächlich wurde die Deutsch-Griechische Versammlung zu einer Zeit gegründet, als Griechenland großen wirtschaftlichen und sozialen Spannungen ausgesetzt war. Kontroverse Debatten in der Finanz- und Wirtschaftspolitik überlagerten seinerzeit die deutsch-griechischen Beziehungen. Umso erfreulicher ist es, dass in den letzten Jahren Dialogformate wie die DGV oder das Deutsch-Griechische Jugendwerk zur Festigung des bilateralen Verhältnisses beigetragen haben. Ohnehin blickt die deutsch-griechische Freundschaft auf eine sehr lange Tradition zurück.

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen mitten in Europa ein brutaler, von Russland initiierter Krieg tobt, ist es wichtig, zusammenzurücken. Ob Krieg, Flucht, Klimawandel, Globalisierung oder der demografische Wandel: All diese Herausforderungen treiben auch die Kommunen beider Länder um. Viele Sorgen im Alltag sind in Deutschland und Griechenland ähnlich. Die DGV versteht sich daher als kommunale Plattform, die auf Augenhöhe den Austausch von Wissen und Erfahrungen organisiert, um das Leben der Menschen vor Ort durch diesen Erfahrungstausch unmittelbar zu verbessern. Dieses Modell ist derzeit in Europa nahezu einzigartig.

Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen, wie diese bilaterale Zusammenarbeit in der Praxis aussieht und was sie bisher gebracht hat?

Die Deutsch-Griechische Versammlung arbeitet nachfrageorientiert. Das bedeutet, dass Kommunen aus Deutschland oder Griechenland die DGV kontaktieren und ihr Interesse an einer Partnerschaft mit einer Kommune des anderen Landes bekunden. Wir überprüfen dann mit Hilfe von Expertinnen und Experten in einem Prozess, welche Kommunen aufgrund ähnlicher Problemlagen gut zueinander passen. Neben der Unterstützung bereits bestehender Städtepartnerschaften etablieren wir so auch neue Verbindungen, wie zum Beispiel die von Detmold und Orajokastro, Sindelfingen und der Insel Samos oder Schwerte und Ioannina. Die Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Kommunen definieren dabei die Felder der jeweiligen Zusammenarbeit. Diese reichen von Fragen zu effizienten Abfallwirtschaftskonzepten bis hin zu innovativen Bürgerbeteiligungsmodellen. Dabei wird die Expertise der jeweiligen Kommunalverwaltungen genutzt.

Auch Akteure aus der lokalen Wirtschaft engagieren sich in unserem Netzwerk. So hat die DGV etwa die IHK Heraklion mit Verbänden und Kammern in Deutschland zusammengebracht. Auf Kreta finden nun sehr erfolgreich Weiterbildungsprojekte für Schweißer*innen und Trockenbauer*innen nach deutschem Standard statt – ein völlig neuer Ansatz im griechischen Ausbildungssystem. Dabei ist es uns besonders wichtig, den Auszubildenden eine bessere Qualifikation und Perspektive auf dem griechischen Arbeitsmarkt zu geben.

Was ist Ihre Rolle als Beauftragter der Bundesregierung für die DGV-Arbeit?

Zunächst ist es mir wichtig zu betonen, dass ich als Beauftragter der Bundesregierung die deutsche Seite im DGV-Netzwerk repräsentiere. Mit meinem griechischen Kollegen, dem Vize-Innenminister Stelios Petsas, möchte ich zeitnah ins Gespräch kommen, um die Zukunft der DGV partnerschaftlich neu zu gestalten. Als Beauftragter kümmere ich mich also vornehmlich um die politische Steuerung des DGV-Netzwerkes. Ich verstehe mich dabei aber vor allem als Türöffner und Prozessbegleiter. Dort wo Projekte ins Stocken geraten, kann ich mich gemeinsam mit meinem griechischen Kollegen Petsas um Lösungen bemühen und vermitteln.

Welche Ziele setzen Sie sich für Ihre Amtszeit?

Mit den kommunalen Spitzenverbänden in beiden Ländern möchte ich noch stärker in den Dialog treten, um die DGV nachhaltig zu strukturieren und abzusichern. Es ist mir ein großes Anliegen die kommunalen Partnerschaften nach außen zu öffnen und Akteure aus der Zivilgesellschaft einzubeziehen. Darüber hinaus kann ich mir auch gut vorstellen neue Themenfelder in der deutsch-griechischen Zusammenarbeit zu platzieren, die in meinem Ministerium eine größere Rolle spielen. Dazu zählen zum Beispiel die Stadt- und Raumplanung, das Thema Klimaresilienz oder die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum.

Was nützt einer deutschen Kommune die Mitgliedschaft in der DGV – und wohin können sich interessierte Kommunalpolitikerinnen und -politiker wenden?

Griechenland ist in einzelnen Bereichen viel weiter als wir in Deutschland. Die Digitalisierung der Verwaltung ist etwa bei uns gerade ein großes Thema – in Griechenland kann man seit Kurzem z.B. seinen Personalausweis oder Führerschein digital auf dem Smartphone führen. Und auch in Kommunalverwaltungen gibt es bereits wertvolles Wissen, von dem wir profitieren können. In der nordgriechischen Stadt Trikala ist es beispielsweise möglich, eine beglaubigte Kopie der eigenen Geburtstagsurkunde am Automaten auszudrucken. Auch im Bereich des Katastrophenschutzes und der Waldbrandbekämpfung gibt es in Griechenland einen großen Erfahrungsschatz. Diese Aspekte möchte ich hier bei uns in Deutschland sichtbar machen.

Die DGV hat in Griechenland zwei Büros und in Deutschland Regionalkoordinatoren, die als Ansprechpartner für interessierte Kommunen fungieren. Kontakt kann auch über unsere Homepage www.grde.eu aufgenommen werden. Höhepunkt der DGV-Arbeit ist die jährlich stattfindende Jahreskonferenz. Diese soll im ersten Halbjahr 2023 in Athen stattfinden. Nähere Informationen werden wir hierzu zeitnah veröffentlichen. Ich lade alle Interessierten herzlich ein, sich in unser Netzwerk einzubringen.

  Facebook Post